Material World 

Note 3
Test in Nr.33 
Autor: K. Mitchell & A. Papahadjopoulos  Personenzahl: bis 5  Deutsch /Englisch/ Französisch 
Verlag: Strange Magic Games, USA  Alter: ab 10 Jahren  Noch erhältlich: ja/ nein 
Erscheinungsjahr: 1995  Spieldauer: ca.  Rezensent: Ferdinand Köther

It’s a material world - diese Weisheit ist nicht erst seit Madonnas Hit bekannt und in Deutschland auch als „hast'e was, dann bist'e was“ verbreitet. In diesem Spiel mußt'e eben möglichst schneller als die anderen möglichst viele Schätze und Konsumgüter anhäufen, dann bist'e Sieger - um es mal auf einen kurzen Nenner zu bringen. Das hört sich simpel und nicht sonderlich originell an, hat aber im Rahmen dieses Spiels allemal einigen Reiz zu bieten. Material World könnte man als Wirtschaftsspiel mit einem Schuß Risiko bezeichnen, oder auch als strategisch/taktisches Entwicklungsspiel mit vielfältigen, relativ einfachen Mechanismen, welches sich aber zunächst etwas sperrig präsentiert und sich nicht gerade leicht erschließt. Das äußert sich in manchen durchaus witzigen, man könnte auch sagen eigenartigen, Regeldetails und auch in der Regel selbst, die zwar letztendlich keine Fragen offen läßt, aber stellenweise etwas unorganisiert erscheint und manche wichtigen Punkte in unauffälligen Nebensätzen versteckt - Material World Spielbretteilund das auch noch ab und zu in Abschnitten, wo man diese Information nicht unbedingt vermuten würde.  Maximal und optimal fünf Mächte (Spieler), alle ausgehend von Europa, dehnen ihren Machtbereich über den gesamten Globus aus und versuchen dabei möglichst viele Rohstoffquellen, Schätze und Konsumgüter zu ergattern bzw. diese den Gegnern vorzuenthalten oder abzunehmen. Die Rohstoffe bilden den Motor des Spiels, d.h. Kapital, Schätze und Konsumgüter benötigt man, um seiner Bevölkerung einen möglichst komfortablen Lebensstandard zu ermöglichen, wodurch man die Siegpunkte einfährt. Schätze und Rohstoffe kann man nur gewinnen, wenn die jeweiligen Quellen durch eine lückenlose Handelsroute mit dem Heimatland verbunden sind, während Fabriken für die Konsumgüter ausschließlich im Heimatland gebaut werden. Einkommen, und dadurch hoffentlich steigende Vorräte, markiert jeder Spieler auf einer eigenen Übersichtstafel, die vorbildlich sämtliche Kosten auflistet. Kaufen kann man u.a. (eigenartigerweise) neue Bevölkerungen, Transporteinheiten für die Handelsrouten, Fabriken, Militär und auch neue Entwicklungsstufen, die wiederum z.B. den Kauf besserer Transporte oder auch schlagkräftigeren Militärs ermöglichen. Bezahlt wird alles mit den Rohstoffen, wobei mit bestimmten Rohstoffen oder deren Kombinationen dieses, mit anderen jenes erworben wird. Eine zentrale Rolle spielt die Bevölkerung, denn deren Größe bestimmt einerseits, wieviel „Dinge“ man kaufen kann, vorausgesetzt man hat die nötigen Rohstoffe, und sie bildet andererseits ein Grundkriterium für die Siegpunkte. Die gibt es für die Realisierung bestimmter Lebensstandardlevels. Solch ein Level ist dadurch definiert, daß man genauso viele verschiedene Schätze und/oder Konsumgüter besitzt wie man Bevölkerungsspielsteine hat. Bei beispielsweise zwei Bevölkerungen braucht man also von drei verschiedenen Schätzen/Konsumgütern jeweils zwei, um einen Lebensstandard von drei zu erreichen. Der erste Spieler, der solch ein Level erreicht, erhält drei Punkte, der zweite zwei und der dritte auch noch einen. Geringe Bevölkerung läßt zunächst den Lebensstandard schnell wachsen, schränkt aber das absolute Wachstum ein - zahlreiche Bevölkerung hingegen rückt den allgemeinen Wohlstand in weitere Ferne, kann aber schließlich mehr Power bringen. Da gilt es, die goldene Mitte zu finden - sofern die anderen das zulassen. Das Spiel endet, sobald ein Spieler es erstmals schafft, seinen Leuten den Lebensstandard des sechsten Levels zu ermöglichen. Es würde viiiiieeeel zu weit führen, wollte ich noch mehr in Details gehen, deren es reichlich gibt. Das Wort "eigenartig" fiel bereits, allerdings nicht im negativen Sinne. So gibt es Karawanen, Schiffe und Eisenbahnen als Transportmittel, aber auch die Bevölkerung dient als solches, und das gleich zweifach, nämlich auch als Eisenbahn, welche wiederum spezielle Bewegungsmöglichkeiten bietet. Das Militär weist unter anderem neben einfachen Reitersleuten auch große Schlachtschiffe auf. Die Spitze der Eigenartigkeiten ist der - übrigens schöne und sehr bunte - Spielplan: Obwohl, irgendwie und grob gesehen, das Ganze wohl zu Beginn des Industriezeitalters angesiedelt sein soll, gibt es in Nordamerika nur Gegenden wie Sioux Nation, Navajoland oder Vinland und der australische Kontinent heißt hier Uluruland. Material World Spielkomponenten Kluges, wohlüberlegtes Vorgehen ist nötig, um hier im Vorderfeld mithalten zu können, es gibt viele Faktoren gegeneinander abzuwägen, dabei eine gute Balance zwischen internem ökonomischem und territorialem Wachstum und externem militärischem Gleichgewicht zu halten. Das Glück spielt eine untergeordnete Rolle, genau wie der militärische Aspekt, bei dem sich Fortuna in Form von einfach auszuführenden Würfelkämpfen einen kleinen Platz im Spielgeschehen sichert. Krieg ist teuer, wer zu sehr aufrüstet, vernachlässigt seine wirtschaftliche Entwicklung und bringt damit sich und seinen Gegner ins Hintertreffen gegenüber den lachenden Dritten, Vierten und Fünften. Vorsichtige, vorrangig der Absicherung dienende Maßnahmen können aber sinnvoll sein, ebenso wie heimliche oder offene Bündnisse und Absprachen. Motto: Wer zuerst schießt, hat so gut wie verloren - oder frei nach Kollege Oliver: Die Drohung ist oft wirkungsvoller als die Ausführung. Wie eingangs geschrieben, hat Material World zweifelsohne seine Reize, auch wenn es stellenweise etwas zäh sein kann - dies auch abgesehen von dem nicht einfachen Einstieg. Es hat in unseren Runden weder helle Begeisterungsstürme ausgelöst noch krasse Ablehnung erfahren und fand, je nach Spielernatur, mehr oder weniger freundliche Akzeptanz. Mir gefällt es eigentlich ziemlich gut - eigentlich, aber... Ein Manko ist nicht zu übersehen: Die insgesamt 840 (!) Counter sorgen im Laufe des Spieles für zunehmende Unübersichtlichkeit, sowohl auf der Einkommenstafel, als auch vor allem auf dem sehr bunten Spielplan, auch wenn wohl kaum jemals alle zum Einsatz kommen. Deshalb, und weil es letztendlich trotz mancher seltsamer und ungewöhnlicher Details nichts grundlegend Neues bietet, fällt die Note nur durchschnittlich aus. Ein clever ausgeklügeltes Spielsystem und gutes Material sorgen für einen runden Gesamteindruck, und für Freunde längerer (3 - 4 Stunden) Spiele, die gerne überlegen und taktieren und auch vor einer Riesenmenge Counter nicht zurückschrecken, ist Material World durchaus einen Versuch wert. Ich kann keinesfalls abraten, allerdings auch nicht heftigst empfehlen. 
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