Sich als Verlag und Autor einen guten Namen
zu verdienen, ist schon nicht einfach; noch schwerer aber ist es, einen
guten Ruf zu verteidigen, will sagen, einen hohen Qualitätsstandard
aufrechtzuhalten. Dieses Ziel zu verwirklichen, trat Martin Wallace in
diesem Jahr mit zwei neuen Warfrog-Spielen an. Nomen est omen. Auch in
diesen beiden Spielen heißt das Motto wieder mal: Erobern und kämpfen
was das Zeug hält - zwei weitere Neuzugänge der fast unüberschaubaren
Risiko-Familie. Nicht sehr originell, könnte man sagen - aber schon
die Vorgänger bestachen nicht durch die Grundidee, sondern durch die
Umsetzung derselben mittels origineller Spielelemente und deren geschickter
Kombination. Genau wie bei Sixteen Thirty Something erinnert der Spielplan
an einen mittelalterlichen Stich, sieht auf den ersten Blick aber wesentlich
verwirrender aus - was sich allerdings auf den zweiten Blick als Täuschung
erweist. Inspiriert durch eine mittelalterliche Weltkarte, bietet der Spielplan
auf den dritten Blick zahlreiche wie Hügel oder Inseln aussehende
Gebiete - die Objekte der Eroberungsgier. Viele Gebiete weisen ein Gebäudesymbol
auf. Davon gibt es nur zwei Typen, Stadt und Kathedrale. Und auch wie bei
STS ist das Spielfeld von einer Leiste mit kleineren Feldern umrandet.
Da hören die Ähnlichkeiten aber auch schon auf. Während
STS eher ein Verhandlungsspiel ist, geht es hier klipp und klar um das
Erobern von Gebieten mit Hilfe der Armeen.
Drei verschiedene Armeesymbole stellen die jeweils drei Reiche jedes Spielers
dar - von Spieler zu Spieler durch die jedem zugehörige Farbe unterschieden.
Man kämpft also ständig an drei Fronten, denn die unterschiedlichen
Armeen eines Spielers dürfen nicht miteinander vermischt werden. Außer
diesen Armeecountern hat jeder Spieler noch ein paar Heeresführercounter
und einige Fortcounter, auch diese alle in mittelalterlichem Stil gehalten.
Für jeden der maximal (und optimal) vier „Herrscher“ gibt es noch
einen (häßlichen) Plastikpöppel in seiner Farbe. Zwei normale
Kartenspiele, zu einem Stapel zusammengemischt, vervollständigen die
Ausstattung, die noch in der deutschen Regel aufgeführten Würfel
fielen in letzter Minute dem Rotstift zum Opfer, aber Würfel dürften
in jedem Spielerhaushalt wohl kaum Mangelware sein. Der Spielablauf ist
denkbar einfach und doch raffiniert. Nach erfolgter Anfangsaufstellung,
die immer wieder eine andere Ausgangssituation herbeiführt, und dem
Verteilen einer gewissen Anzahl Karten an jeden Spieler, kann’s losgehen.
Wer dran ist, bewegt mit zwei Würfeln seinen Pöppel auf der Außenleiste
weiter und bestimmt durch die Angaben des erreichten Feldes zwei Dinge:
Einmal, wieviel Karten er nehmen darf, alternativ statt Karten übrigens
immer einen Heeresführer, und zweitens, wieviel Armeecounter welcher
Sorte nun versteigert werden. An dieser Auktion nehmen natürlich alle
Spieler teil, statt Geld bietet man mit seinen Karten. Wer gewinnt, nimmt
entsprechend der Angabe auf dem Feld Armeecounter in seiner Farbe und plaziert
sie auf dem Spielplan, in eigene Gebiete mit Armeecountern gleichen Symbols.
Der aktive Spieler hat nun die Wahl zwischen weiterer Rekrutierung von
Armee-Einheiten mit Hilfe seiner Karten, wobei genau wie schon vorher bei
der Ersteigerung jeweils drei der neuen Einheiten gegen einen Anführer
oder ein Fort eingetauscht werden können. Solch eine Rekrutierung
beendet den Zug; next one, please! Statt dieser Rekrutierung kann man aber
auch „Angriff, Marsch!“ wählen, d. h. erst Einheiten mit Anführer(n)
bewegen und anschließend wahlweise alle die benachbarte Gebiete angreifen,
die man angreifen möchte. Das geht ganz einfach: Anzahl der jeweiligen
Armeecounter plus eine Karte, höhere Summe siegt. Und das bedeutet,
daß der Verlierer die Hälfte seiner (am Kampf beteiligten) Counter
verliert. Bei Gleichstand verliert der Angreifer einen Counter - und damit
sind noch nicht alle Eventualitäten abgedeckt, auch die Kartenfarbe
oder in bestimmten Fällen auch die Kartenwerte ansich können
eine Rolle spielen. Die bereits erwähnten Forts dienen natürlich
der Stärkung des Verteidigers. Es würde zu weit führen und
ist hier auch unnötig, alle Feinheiten und schönen kleinen Details
aufzuführen, die eigentlich überall anzutreffen sind: Beim Auktionsablauf
ebenso wie bei der Bewegung oder Rekrutierung. Zwei Beispiele mögen
das nochmal verdeutlichen. Jede Armee darf pro Anführer drei Gebiete
weit ziehen - dabei zählt ein unterwegs aufgelesener Anführer
mit - wahre Kettenzüge können sich so ergeben. Die Anzahl der
Anführer einer Armee ist übrigens nicht begrenzt, eine „kopflose“
Armee hingegen kann sich gar nicht rühren. Für das zweite Beispiel
soll nochmals der Kampf herhalten, weil’s so schön anschaulich ist:
„Ass“ gegen „Bildkarte“ gewinnt immer, egal wer wieviele Counter in den
Kampf bringt. Auch die Felderleiste hält selbstverständlich einige
Kleinigkeiten bereit. Wer auf einem Eckfeld landet, löst damit eine
Plage aus: Eine durch Würfeln bestimmte Sorte Armeecounter (aller
Spieler natürlich) fällt der Pest zum Opfer. Und wenn der Rundenmarker
auf oder über ein Eckfeld zieht, löst er damit eine Wertung aus:
Für die Kontrolle eines einfachen Gebietes gibt’s ‘n Punkt, für
Gebiete mit Stadtsymbol deren zwei und für solche mit Kathedralensymbol
drei. Wer zum Schluß die meisten Punkte vorweisen kann, ist Sieger
- logo. Ach ja, der Rundenmarker - der trottet den Pöppeln der Spieler
auf der Umlaufleiste hinterher. Immer wenn jemand einen Pasch oder eine
sieben würfelt, wird er um so viele Felder bewegt, wie man Augen mit
einem Würfel würfelt. Ist er einmal rum, ist das Spiel zu Ende
- das kann eine oder zwei Stunden dauern oder auch mal drei bis vier. Martin
Wallace hat es mit Medieval Empires mal wieder geschafft, aus diversen
einfachen Zugaben ein spannendes, schnell zu lernendes und schnell zu spielendes
Freizeitvergnügen zu schaffen. Und wie auch immer bei seinen Spielen,
deren Hauptmotor Karten sind, ist eine gelungene Mischung aus Glück
und Taktik dabei herausgekommen. Klar, Kartenspiele sind reine Glücksspiele,
mögen manche sagen, aber wer wirklich Bescheid weiß, der weiß
auch, daß dem nicht so ist, sondern daß gerade Kartenspiele
auch immer eine mehr oder weniger große Taktikkomponente aufweisen.
Um zur Einleitung zurückzukommen: Es ist Martin Wallace voll und ganz
gelungen, dem selbst gesetzten hohen Qualitätsanspruch gerecht zu
werden. Ob das auch für sein zweites neues Werk zutrifft, könnt
Ihr in der nächsten SPIELEREI erfahren. Trotzdem - und trotz beigefügter
dt. Regelübersetzung - war der Absatz in Essen nicht gerade überwältigend,
von der kleinen 200er Auflage ist noch einiges zu haben, wenn auch vielleicht
nicht mehr lange. Also nicht zögern, es lohnt sich! Daß man
noch die Counter ausschneiden und den Spielplan aus vier Teilen zusammenkleben
muß, fällt bei der gebotenen Spielqualität zu diesem Preis
nicht ins Gewicht. Die Talente von Martin Wallace sollen übrigens
nicht nur im Verborgenen blühen - gerüchteweise hört man,
daß demnächst eine namhafte deutsche Firma ein neues Spiel von
MW herausbringen wird. Hoffentlich ohne Zugeständnisse an den angeblichen
„Massengeschmack“. Daß im Gegenteil dieser Geschmack durch gute Spiele
sogar erzogen werden kann, haben Die Siedler von Catan und El Grande deutlich
bewiesen.