Besonderheiten : Premiere erschien 1997 als Showmanager bei Queen
und kam in dieser Form auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres.
„Cats“ und „Das Phantom der Oper“ laufen seit
vielen Jahren, „Buddy Holly“ seit mehreren Monaten, dazwischen gibt es
häufig Gastspiele anderer Werke, alle mit großem Erfolg. Kein
Zweifel: Hamburg ist eine der Musical-Hochburgen Deutschlands! Seit einigen
Monaten sind jetzt „Die Miserablen“, „Miss Hanoi“, „Freudi“ und „Katz“
dazugekommen, jeweils in 6 verschiedenen Aufführungen gleichzeitig,
alle in anderer Besetzung. Wer jetzt verwirrt ist, hat es noch nicht kennengelernt,
das Neue aus dem Stall der db-Spiele: Premiere! Eben diese war (wieder
einmal) auf den Herner Spieletagen. Als ich von Barbara Weber zum ersten
Mal das Thema erfuhr, hielt sich meine Begeisterung in Grenzen, denn das
Thema Showgeschäft/Musical wurde ja schon einige Male, mal mehr mal
weniger gelungen, in Spiele umgesetzt: neben reinen Quizspielen z.B. in
Hype/Top 20 (Hexagames), Showbiz (ebenfalls Hexagames), Maestro (Hans im
Glück), Broadway (TSR) usw. Meine ausschließlich positiven Erfahrungen
mit db-Spielen haben aber meine Skepsis überwinden lassen und wie
sich sehr schnell herausstellte, waren diese Bedenken auch absolut unbegründet!
Herzstück des Spiels sind Schauspielerkarten, 120 an der Zahl (leider
ohne Illustrationen). Die Qualität der Darsteller ist natürlich
sehr unterschiedlich (wie im richtigen Leben halt), sie wird ausgedrückt
durch Punktwerte, die von 1 bis 9 reichen: je höher, desto besser!
Dabei gibt es absolute Spezialisten, die nur eine Rolle drauf haben, (die
aber hervorragend!), andere sind wesentlich flexibler und können bis
zu drei Rollen spielen, allerdings erreichen sie nicht die Qualität
der Superstars.
Um Besetzen von Musicalrollen geht es auch bei diesem Spiel. Gilt es bei
„Freudi“ nur drei Rollen möglichst optimal zu füllen, werden
bei „Miss Hanoi“ schon vier Darsteller gesucht. Für „Die Miserablen“
sind fünf Schauspieler nötig, am meisten Aufwand wird bei „Katz“
getrieben, denn hier sind gar sechs Rollen zu besetzen! Für jede der
insgesamt 18 Rollen gibt es 13 mögliche Schauspieler. Die Werte differieren
stark, vertreten sind: 2 (3x), 3 (4x), 5 (2x) sowie 4, 6, 7 und 9 (je 1x).
Allerdings überschneiden sich die Rollen, so daß manche Superstars
für Rollen verheizt werden, für die sie nicht gerade die Idealbesetzung
darstellen. Die Summe der Rollenwerte pro Karte ist in jedem Fall 9. Alle
Darsteller wollen allerdings erstmal einmal verpflichtet werden, wobei
als Startkapital den 4 - 6 Teilnehmern lediglich 18 Talente (= Geldeinheiten)
zur Verfügung stehen. Alle Darstellerkarten werden zu Beginn gemischt
und verdeckt als Talon plaziert. Daneben werden die beiden Spielpläne
gelegt: ein Städteplan bestehend aus 30 Feldern verteilt auf fünf
Orte, wobei jedem Feld ein Punktwert zugeordnet ist. Am Broadway gibt es
für den 1. Platz 22 Punkte, für Rang 2 noch 16 Zähler, danach
geht es bergab: 10, 6, 2 bis 0 für die schwächste Aufführung.
Die anderen Schauplätze sind Hamburg (Werte 20-1), Stuttgart (18-2),
Duisburg (16-3) und Alsdorf (14-4). Man sieht: je größer die
Bühne, desto besser der Spitzenwert. Schwache Inszenierungen hingegen
werden in der Provinz immerhin noch beklatscht, an den Weltbühnen
jedoch komplett verrissen. Beginnen darf bei Premiere, wer zuletzt ein
Musical besucht hat (ich bin daher selten Startspieler). Zunächst
beschränken sich die Aktivitäten meist darauf, einen Darsteller
aus der Künstleragentur (= 2. Spielplan) zu verpflichten. Diese hat
stets vier Schauspieler im Angebot, wobei man die Karte ganz rechts zum
Nulltarif bekommen kann, nach links wird es um je ein Talent teurer. Der
Schauspieler ganz links kostet also immerhin drei Talente. In jeder Runde
muß man einen Star verpflichten (es sei denn, man inszeniert ein
Musical - dazu später mehr), allerdings ist es möglich, für
zwei Talente alle vier Karten aus der Agentur vorher zu entfernen und durch
vier neue Darsteller zu ersetzen. Dies ist beliebig oft möglich (lediglich
das eigene Bargeld setzt Grenzen). Empfehlenswert ist eine solche Aktion,
wenn entweder für einen selbst keine geeigneten Darsteller zur Verfügung
stehen oder man verhindern will, daß die Konkurrenten passende Schauspieler
verpflichten könnten. Nach einiger Zeit kann man durchaus einschätzen,
wer welche Karten gebrauchen kann, denn jeder Teilnehmer muß jedes
Musical einmal pro Partie inszenieren, so daß mit jeder Aufführung
der Kreis der interessanten Kandidaten kleiner wird. Die in der Agentur
durch die Verpflichtung entstandene Lücke wird von Links her geschlossen,
neue Karten kommen also immer für drei Talente ins Spiel. Verpflichtete
Stars werden auf die Hand genommen, bis sie für eine Inszenierung
eingesetzt werden. Dabei gilt zu beachten, daß nach einer Aufführung
maximal zwei Karten übrig bleiben dürfen (nach der letzten Inszenierung
gar nur eine!). Es ist also nicht erlaubt, beliebig viele Karten zu „bunkern“,
um eine möglichst große Auswahl an Darstellern zu haben. Wer
„Freudi“ aufführen wollte, aber schon sechs Karten auf der Hand hält,
hat leider die Chance verpaßt. Er muß stattdessen ein anderes
Musical aufführen, für das mehr Darsteller nötig sind. Das
Ziel sollte natürlich sein, eine möglichst hohe Punktzahl zu
erreichen. Das Maximum wäre 9 multipliziert mit der Zahl der Rollen,
bei „Freudi“ also 27, „Miss Hanoi“ 36, „Die Miserablen“ 45, „Katz“ 54.
Dazu kommt noch ein Bonuspunkt pro Rolle, wenn es bei der Inszenierung
keine Fehlbesetzung gegeben hat. Als solche gilt jeder Schauspieler, auf
dessen Karte die Rolle, die er spielen soll, nicht angegeben ist. Da kann
es durchaus besser sein, die Stars der Städtischen Bühnen (Joker-Karten
mit Wert „1“, 12 an der Zahl, die für alle Rollen einsetzbar sind
und niemals als Fehlbesetzung gelten) anstelle von ungeeigneten Superstars
zu verpflichten, wenn dadurch nämlich ein hoher Bonus (3 bis 6 Punkte)
gesichert werden kann. Frühestens nach drei („Freudi“ ohne überzählige
Karte), spätestens nach acht Runden („Katz“ mit zwei Karten Rest)
steht eine Musical-Inszenierung an. Wird ein Stück zum ersten Mal
aufgeführt, legt der Intendant fest, an welcher Bühne das Musical
für diese Partie beheimatet ist. Die Punktwerte der eingesetzten Schauspieler
werden jetzt addiert. Wird z.B. „Miss Hanoi“ aufgeführt, könnte
ich dafür Superstar Rudi Roole (Rolle C = 9 Punkte) Rolly Witchmann
(Rolle B = 7 Punkte), einen Joker (Stars der städtischen Bühne
= 1 Punkt) für Rolle D, und Synes Lustig einsetzen. Letzteren müßte
ich nun für Rolle A einsetzen, vorbereitet ist er aber nur für
Rolle B. Er gilt deshalb als Fehlbesetzung für Rolle A und es bleibt
deshalb bei 17 Punkten (9 + 7 + 1). Hätte ich z.B. anstelle von Synes
Lustig auf einen zweiten Joker zurückgegriffen, kämen weitere
5 Zähler dazu: 1 für den Joker + 4 Bonuspunkte für die vier
richtig besetzten Rollen. Die 17 bzw. 22 Punkte werden in mein „Miss Hanoi“
- Kärtchen (jeder Spieler hat einen Satz mit allen vier Musicals)
eingetragen und in der Musical-Rangfolge eingeordnet. Bei der Premiere
also auf Platz 1 (jedenfalls im Spiel zu sechst). Die eingesetzten Schauspielerkarten
kommen aus dem Spiel. Jeder kann sich wohl vorstellen, daß man mit
seinen Talenten schnell am Ende ist, denn 18 sind nicht gerade viel, da
nur selten passende Akteure günstig oder gar zum Nulltarif zu haben
sind. Es läßt sich deshalb kaum vermeiden, auf Kredite zurückzugreifen.
Dies ist einmal pro Partie pro Musical möglich, Höchstwert jeweils
10 Talente. Man nimmt dazu sein entsprechendes Musicalplättchen vom
Plan, streicht mit dem mitgelieferten Folienschreiber den bisherigen Punktwert
und trägt im Feld darunter den reduzierten Wert ein. Anhand dieser
Zahl wird die Inszenierung wieder in die Musical-Rangliste integriert.
Bei Gleichstand mit schon daliegenden Plättchen wird es dahinter eingereiht.
Die Kreditoption für ein Musical entfällt allerdings, sobald
alle sechs Plättchen liegen. Es bleibt also stets ein Restrisiko,
weiter zurückzufallen als geplant, da mindestens noch eine Aufführung
aussteht. Prinzipiell empfiehlt es sich also eher, ein schwaches Musical
zu beleihen, von dem ohnehin keine hohen Punktzahlen zu erwarten sind,
denn ob man mit 12 Zählern den (vermutlich) letzten Platz für
„Katz“ einnimmt oder mit nur 2, spielt bei der Punktvergabe keine Rolle.
Die Partie ist beendet, sobald der letzte Spieler sein viertes Musical
aufgeführt hat. Es gewinnt der Teilnehmer mit der höchsten Punktsumme,
wobei es nicht um die addierten Schauspielerwerte geht, sondern um die
Punkte, die mit den Inszenierungen in den vier Städten erreicht wurden.
Das absolute Maximum wäre 76 (= 4 x Platz 1, am Broadway, in Hamburg,
Stuttgart und Duisburg), das schwächstmögliche Ergebnis 6 (letzte
Plätze an den gleichen Orten). Beides ist sehr unwahrscheinlich. Bleibt
das Fazit: mit Premiere halten db-Spiele das hohe Niveau ihrer bisherigen
sechs Titel, ja steigern es sogar noch! Für mich ist Premiere das
neue Highlight des Programms, ein Spiel, das keine Vergleiche mit den besten
Vertretern dieses Spielejahrgang scheuen muß. Es funktioniert mit
4 - 5 Spielern genauso gut wie mit 6. Eine simple aber effektive Idee sorgt
dafür, daß auch mit geringerer Teilnehmerzahl der Spielspaß
nicht leiden muß: Für die fehlenden ein bis zwei Aufführungen
kommen Provinzbühnen ins Spiel, sprich „Dummy-Plättchen“ werden
mit vorgegebenen Punktzahlen versehen und mischen in der Publikumsgunst
mit. Der erste Intendant eines neuen Musicals legt zwar noch die Stadt
fest, die mit dem Stück erfreut wird, das Werk wird aber nicht automatisch
auf Platz 1 gesetzt, sondern muß sich vorab mit den ein bis zwei
Provinz-Stücken messen und entsprechend einreihen. Dabei sind die
Vorgaben nicht von Pappe. Wir haben erlebt, daß die „Provinzler“
bis zum Schluß ganz vorne mitgemischt haben. Die Interaktion hält
sich zwar in Grenzen und beschränkt sich darauf, zu verhindern, daß
die Konkurrenten bestimmte Karten bekommen, in dem man die Stars selbst
verpflichtet oder die Agentur leerfegt. Der Spielspaß ist aber trotzdem
garantiert. Sehr viel Flair (zumindest für Insider) bringen auch die
lustigen Schauspielernamen, deren Ähnlichkeit mit lebenden Personen
aus Film- und Musikwelt, Sportarenen, vor allem aber der Spielszene nur
„fast zufällig“ sind. Lustige Illustrationen (Karikaturen!) wären
natürlich das I-Tüpfelchen gewesen. In Hamburg ist Premiere bereits
ein Hit, und ich bin sicher, daß die Neuheit die bisherigen db-Verkaufshits
Al Capone und Carat auf die Plätze verweisen wird. Auch die Autoren
selbst zählen Premiere neben Carat und Timbuktu zu ihrem Lieblingskind.
Erstaunlich ist für mich nach wie vor, daß die etablierten Spiele-Verlage
immer noch nicht auf die Ideen von Dirk und Barbara aufmerksam geworden
sind (von Hexenstich bei Klee einmal abgesehen). Stattdessen werden Jahr
für Jahr jede Menge belanglose Spiele herausgegeben: Minimalideen,
produktionstechnisch stark aufgepeppt, damit sie nach Viel aussieht und
sich so vielleicht verkaufen lassen. Vielleicht sollten wir engagierten
Spieler aber auch froh über diese Ignoranz der Großverlage sein,
denn sonst wäre die Zeit der liebevoll in Handarbeit hergestellten
(aber immer professioneller wirkenden) Schmuckstücke vorbei und viele
der originellen Ideen des Autorenpaares Dirk und Barbara eventuell von
Redaktions-Teams der Verlage plattgewalzt. Hoffen wir also auf weitere
spielerische Perlen, entwickelt und von db-Spielen persönlich zur
Reife gebracht!