Es gibt sie noch, die Leute von VSK, dem Kleinverlag,
der 1990 dem ersten DDR-Spieleautoren zu Ruhm und Ehren im Westen verhalf
(Chamäleon von Wolfgang Großkopf), der mit Zankapfel und Marino
wunderschöne Spiele produzierte, die vor allem von der Materialseite
her voll überzeugten. Ein Verlag, der sich stets um unbekannte Autoren
verdient gemacht hat, der gezielt Kontakte während des von Karsten
Höser organisierten Autorenwettbewerbs und des Göttinger Spieleautoren-Treffens
gesucht hat und dabei auch manchmal fündig wurde. In diesem Jahr hat
es in Göttingen geklappt. Drei junge Menschen aus Berlin, die auffielen,
weil sie unter einem Pseudonym -„Jeukuro“ - ihre Spiele präsentierten,
fanden die Aufmerksamkeit des VSK-Teams. Jana Kusch, Stefan Roth und Uwe
Freyschmidt sind Jeukuro, wobei dies wohl ein „Bastelname“ aus Jeu - Ku(sch)
- Ro(th) sein soll. Ihren Anspruch, Taktikspiele mit Überraschungsmomenten
vorzustellen, bei denen nicht auf den Glücksfaktor verzichtet wird,
haben sie mit dem jetzt von VSK produzierten Spiel Tripjat voll und ganz
eingelöst.
Tripjat ist ein abstraktes, taktisches Kartenspiel für zwei oder drei
Spieler, das nach einfachen Regeln funktioniert: Jeder Spieler besitzt
einen Kartensatz mit 16 Karten, die fünfmal den Wert 3, viermal den
Wert 5, dreimal den Wert 7, zweimal den Wert 10 und einmal den Wert 15
haben, außerdem gibt es noch eine sogenannte Fürstenkarte, die
ebenfalls den Wert 10 besitzt. Diese Karten werden auf einem 6 mal 6 Felder
großen Spielfeld abgelegt, wobei auf die 20 Randfelder keine 10er-
und 15er-Karten gelegt werden dürfen. Zu Beginn wird der eigene Kartenstapel
gemischt, die oberen vier Karten nimmt man auf die Hand, danach werden
reihum Karten abgelegt oder neu gezogen. Beim Ablegen auf das Spielfeld
versuchen die Spieler gegnerische Karten waagerecht, senkrecht oder diagonal
einzuschließen. Erreicht man dabei einen höheren Gesamtwert
in der Addition der Kartenpunkte, erhält man diese Karten. Sie werden
vom Spielplan genommen und zählen für die Endabrechnung. Die
Fürstenkarte kann unterschiedlich taktisch eingesetzt werden. Mit
ihr dürfen gegnerische Karten bis zu einem 10er-Wert abgedeckt werden,
oder man gibt sie dem Gegner, für den die zehn Punkte zählen,
dafür entfernt man aber eine Karte mit einem maximalen Wert von fünf
Punkten vom Spielbrett. Vordergründig sieht das zwar nach einem Minusgeschäft
aus, taktisch klug eingesetzt, können sich dadurch Mehrheitsverhältnisse
entscheidend ändern und der Gewinn kann viel größer ausfallen.
Wird keine Karte abgelegt, darf eine nachgezogen werden. Es ist aber nicht
erlaubt, mehr als vier Karten auf der Hand zu haben. Hat ein Spieler keine
Karten mehr zur Verfügung, so erhält er wieder vier neue vom
Kartenstapel. Diese Regelung ist sehr wichtig für das Spielende, denn
ein Spieler, der immer Karten ablegt und nicht zwischendurch eine einzelne
Karte zieht, verbraucht eher alle seine Karten. Das Spiel endet nämlich
in der Runde, in der ein Spieler seine letzte Karte legt. Handkarten zählen
als Minuspunkte. Die Punkte aller eroberten Karten werden addiert, eventuelle
Minuspunkte müssen abgezogen werden. Gespielt wird auf 200 Punkte,
die meist nach drei oder vier Spielrunden erreicht werden. Die Spielmechanismen
hat man schnell begriffen, hinter die Feinheiten des Spiels kommt man allerdings
erste nach einigen Runden. Das Spiel besitzt Tiefgang und zieht seinen
besonderen Spielreiz besonders aus der Tatsache, daß die Spieler
nicht genau wissen, welche Möglichkeiten die anderen von ihren Karten
her noch haben. Dieser Glücksfaktor kann natürlich auch nachteilig
ausgelegt werden. Eine Fürstenkarte gleich zu Beginn, wenn nur niedrige
Karten von den Gegnern ausgelegt werden, ist sehr hinderlich. Trotzdem
bietet die Nutzung von nur vier Karten ein reizvolles Spiel mit dem Risiko
und gibt dem Spiel den letzten Pfiff.
Habe ich mich am Anfang sehr lobend über die bisherige redaktionelle
Arbeit des Verlags geäußert, kann ich das für die Umsetzung
von Tripjat leider nicht bestätigen. Das abstrakte Spiel ist in ein
chinesisches Umfeld gesetzt - war es im übrigen auch schon beim Prototypen
der Berliner Autoren - die Karten tragen chinesische (?) Schriftzeichen,
ein Bambusgitter teilt die Spielplansegmente ein - so weit, so gut - das
Material und die Preisvorstellung von VSK sind aber nicht mehr akzeptabel.
Dünnste Pappe für Spielplan und Spielschachtel, dafür aber
ein horrender Ladenpreis von ca. 39 DM, das schreckt auch zukünftige
Kunden von VSK ab. In dieser Form werden nur die Insiderläden das
Spiel präsentieren können, jeder größere Händler
oder Vertrieb wird abwinken. Es ist schade um die wirklich gute Spielidee!
Jana Kusch, Stefan Roth und Uwe Freyschmidt hatten ihr Spiel übrigens
auf Stoff gedruckt! Für alle in Göttingen vorgestellten Prototypen
gab es einen lyrischen Vortext, Wortspielereien, die ihren Spaß am
Spiel gut zum Ausdruck bringen. Für Tripjat hatten sie sich folgendes
überlegt: Überlegen, legen, überlegen legen. Nehmen, wenn
überlegt gelegt. Zahlen, zählen, zusammen, zusammen zählen
Zahlen mehr. Einschließen schließt Gewinnen nicht aus. Auf
der Gewinnerseite ist das junge Autorenteam allemal. Das erste Spiel, wahnsinnig
schnell erschienen - vielleicht sogar zu schnell produziert, weil’s noch
ein Spiel zur Messe sein sollte -, dafür aber ein gutes Spiel, das
aufmerksam macht, Lust auf weitere Spiele von Jeukuro!