Mutabor

Note 2+
Test in Nr.37 
Autor: Dr. Ferdinand Hein  Personenzahl: 2-4  Deutsch/Englisch/Französisch
Verlag: Dr. F. Hein Spiele  Alter: ab 8 Jahren  Noch erhältlich: ja/nein
Erscheinungsjahr: 1997  Spieldauer: ca. 30 min.  Rezensent: Michael Schramm 

Ich glaube, als Kinder haben wir fast alle das Märchen vom Kalifen Storch einmal gehört. Kurz gefaßt geht es in diesem bekannten Märchen darin, daß ein Kalif durch Schwarze Magie vom Thron gestoßen wird und es ihm dann mit Hilfe von Freunden gelingt, wieder seinen angestammten Platz einzunehmen. Eine Begebenheit aus diesem Märchen ist besonders faszinierend: Die Verwandlung eines Menschen in ein Tier.

Der Kalif und sein Großwesir erhalten in dem Märchen von einem bösen Magier ein Zauberwort, mit dem sie sich in ein Tier ihrer Wahl verwandeln können. Nur ist die Rückverwandlung in einen Menschen nicht mehr möglich, wenn man dieses Zauberwort vergißt - und man vergißt es, wenn man in Tiergestalt lachen muß. Im Märchen kommt es, wie man es nicht anders erwartet hat: Der Kalif und der Großwesir lachen herzhaft übereinander, als sie sich gegenseitig in der Inkarnation von Störchen erblicken. Das Zauberwort, das den beiden so große Unannehmlichkeiten bereitet, heißt ,,Mutabor". Die Humanisten unter unseren Lesern werden sicher wissen, daß dieses Wort aus dem Lateinischen stammt und übersetzt bedeutet ,,Ich werde mich verwandeln".

Und der Titel Mutabor - Im Irrgarten des Kalifen paßt in wunderbarer Weise zum In-halt des hier besprochenen Spiels von Dr. Fer-dinand Hein. Es geht darum, daß sich die Wertigkeit von Spielsteinen verwandelt und diese - je nach Standort auf dem Spielfeld - unterschiedliche Fortbewegungsmöglichkeiten haben.

Die Schachtel ist von ihren Ausmaßen und ihren Sortiermöglichkeiten im Innern fast identisch mit dem in der letzten Spielerei beschriebenen Dimenticato. Auch hier gibt es wieder hervorragend gestaltete Holzkegel in vier Farben (schwarz, farblos, grün und rot), dazu kommen 52 hochwertige Pappbildkärtchen mit sechs verschiedenen Motiven und vier Karten mit den Zugregeln des Spiels, eine für jeweils einen Spieler. Die Grafik auf der Vorderseite erweckt einen mystisch-orientalischen Eindruck, der gut zur Tausend-und-eine-Nacht-Thematik des Spiels paßt. Auf der Schachtelrückseite sind sämtliche 52 Kärtchen als Spielfeld gruppiert abgebildet, dazu führt eine Geschichte (die sogar in drei Sprachen übersetzt ist) auf anregende Weise in das Spiel ein. Und vielleicht lauschen wir als Einstimmung zumindest einmal dem Anfang dieser Geschichte: ,,Zu seinem Ergötzen hatte sich der Kalif Chassid ein Spiel erdacht:

Abend für abend ließ er 52 bunte Teppiche zu einem Irrgarten zusammenlegen und stellte den Scharfsinn seiner Wesire auf die Probe. Je vier mußten sich an den vier Rändern des Irrgartens aufstellen und versuchen, mit möglichst wenig Bewegungen an den gegenüberliegenden Rand zu gelangen. Der Zauberer Kaschnur hatte seine Hand im Spiel: Auf dein Weg durch den lrrgarten  nahmen die Spieler verschiedene Gestalten an - sie verwandelten sich in den Morgenstern und in das große Tor in einen Baum, ein Krebs oder in einen Elefanten." Ich glaube, daß diese Einführung schon fast alles über den Inhalt des Spieles aussagt.

Die 52 Bildkärtchen werden zu einem 6 \ 6 großen Spielfeld ausgelegt. Davon werden die mittleren vier Karten mit der Bildseite nach unten, daß heißt verdeckt. ausgelegt. alle anderen Karten liegen offen Die restlichen 6 Karten werden so verteilt. daß .,jeder der vier Spieler jeweils vier Karten vor sich als seine

Startkarten legt. Diese vier Karten grenzen direkt an die vier mittleren Kärtchen der dem Spieler zugewandten untersten 6er-Reihe. Nachdem sich nun jeder eine Farbe gewählt hat, stellen die Spieler ihre vier Spielfiguren auf ihre vier Startfelder. Danach beginnt, entsprechend der Spielregel, der jüngste Spieler. Das Ziel des Spieles ist leicht erklärt: Sieger ist derjenige, der als erster seine vier Spielfiguren über das Spielfeld hinweg auf seine vier Zielfelder der transportiert hat. Die Zielfelder sind gleichzeitig die Startfelder des gegenüberliegenden Spielers.

Für die Bewegung auf dem Spielfeld gibt es nun insgesamt zehn verschiedene Regeln. Einige dieser Regeln lassen nun an Schach denken, andere an Halma, wieder andere an Mensch ärgere Dich nicht - und trotzdem ergibt sich daraus ein neues, interessantes Spiel. Natürlich denkt man sofort an Mensch ärgere Dich nicht, wenn es darum geht, vier Figuren von einem Startfeld auf ein Zielfeld zu bringen. Und natürlich stimmt es auch, daß das Hinausbefördern von Figuren und ihr Rücktransport auf die eigenen Startfelder deutliche Parallelen zum Mensch ärgere Dich nicht zeigt. Außerdem läuft man zum Beispiel nur geradeaus und niemals rückwärts, natürlich auch niemals seitwärts. Und die Bewegung auf dem Spielfeld wird durch einen Würfel bestimmt. Einen Würfel allerdings wird man bei Mutabor vergeblich suchen. Die Bewegung der Figuren regelt sich nämlich hier über ihre jeweilige Wertigkeit. Und genau diese Wertigkeit ergibt die Parallele zum Schachspiel. Auch hier kann man unter bestimmten Voraussetzungen wie ein Turm, wie ein Springer oder Läufer oder auch eine Dame, manchmal aber auch nur wie ein Bauer ziehen. Doch im Unterschied zum Schachspielen ist die Wertigkeit einer Figur nicht von Beginn an festgelegt, sondern sie ändert sich je nach Beschaffenheit des Kärtchens, auf das die Spielfigur abgesetzt wird. Und da das Spielfeld variabel aus unterschiedlichen Feldern zusammengesetzt ist, wird es auch nicht so sein, daß auch nur bei zwei aufeinanderfolgenden Spielen die gleichen Zugmöglichkeiten vorhanden sind. Der Begriff ,,lrrgarten" für das Spielfeld ist also wirklich passend gewählt.

Genau hier liegen die taktischen Möglichkeiten dieses Spieles: Es gibt günstige oder weni-ger günstige Wege für eine Spielfigur, die andere Spielfeldseite zu erreichen. Man kann seine Gegenspieler auf geschickte Art und Weise ausbremsen, indem man für sie besonders günstige Felder durch eigene Figuren besetzt bzw. absichert. Und es gibt die Felder, auf denen Figuren sicher sind, daß heißt, hier können sie nicht geschlagen werden. Der Nachteil dieser Felder besteht dann darin, daß das Feld nur jeweils ein Feld weit zur Seite, nach vorne oder nach hinten wieder verlassen werden kann. Eine ganz besonders gewiefte Regel des Spieles besagt, daß man nur dann von einem Gegenspieler hinausgeworfen werden kann, wenn eines der eigenen Startfelder noch frei ist. In diesem Fall nutzt es mir also, wenn mein Gegenüber meine freien Startfelder möglichst zügig besetzt. Diese Regel ist nach meiner Kenntnis bisher in keinem anderen Spiel verwandt worden.

Das Spiel läuft sehr zügig, wobei es speziell zu Viert anfangs oft frustrierend sein kann, wie oft die eigenen Spielfiguren wieder herausgeworfen werden. Wenn dann aber etwas mehr Platz auf dem Spielfeld vorhanden ist, entwickelt sich ein interessantes kleines Taktikspiel, das selten länger als 30 Minuten dauert. Das Spiel bietet sich besonders als Familienspiel an, da auch Kinder ab etwa 8 Jahren ohne weiteres mithalten können. Neben Dimenticato hat Dr. Hein also mit Mutabor noch ein zweites wirklich überzeugendes Spiel in seinem Angebot. Es ist anspruchsvoller als das schon mehrfach erwähnte Dimenticato, hat aber - zumindest meine ich das - auch einen höheren Langzeitspielreiz. Der Preis von 48,00 DM erscheint im ersten Augenblick hoch für ein so kleines Spiel, wenn man sich aber die wirklich liebevolle Ausstattung ansieht und bedenkt, daß das Spiel sicher nur in einer kleinen Auflage erscheint, erscheint dieser Preis fast schon als Sonderangebot. Da man Spiele von Dr. F. Hein wahrscheinlich nur in den wenigsten Spielgeschäften antreffen wird, empfiehlt sich eine Bestellung direkt beim Hersteller. Neben den beiden erwähnten Spielen führt der Hersteller noch eine kleine Auswahl an Puzzeln und Legespielen, die ebenfalls sehr gut ausgestattet sind, im Programm.

Ich kann Mutabor eine uneingeschränkte Kaufempfehlung geben, wir haben das Spiel sowohl in der Familie als auch in vielen Spielgruppen mit großem Spaß gespielt. Es ist sicher nicht die große Innovation auf dem Brettspielmarkt und auch kein Spiel, das von seiner Komplexität mit Spielen wie z.B. El Grande oder Löwenherz mithalten kann. Aber das ist meines Erachtens auch nicht die Intention dieses Spiels. Hier geht es eher um das kleine, nette und amüsante Spiel für Zwischendurch oder wie bereits erwähnt für die Familie mit jüngeren Kindern. Die Regeln sind übersichtlich und verständlich, die gesamte Spielgestaltung sehr liebevoll und ansprechend. Und ich glaube, von solchen Spielen kann es auf dem Spielemarkt einfach nicht genug geben


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