Hornochsen

Note 1
Test in Nr.42 
Autor: Wolfgang Kramer  Personenzahl: 2-6  Deutsch/Englisch/Französisch
Verlag: Amigo  Alter: ab 8 Jahren  Noch erhältlich: ja/nein
Erscheinungsjahr: 1998  Spieldauer: ca. 15 min.  Rezensent: Michael Schramm 

oder: 6 NIMMT für Taktikfans?

Ich denke mal, daß jedem Leser der Spielerei der Name Wolfgang Kramer bekannt ist. Zu beeindruckend sind seine Erfolge, zu oft prämiert seine Spiele, als das man diesem Autor nicht bereits bei dem einen oder anderen Titel begegnet sein müßte. Sein letzter Tophit war El Grande, 1996 mit den begehrten Auszeichnungen ,,Spiel des Jahres“ und ,,Deutscher Spielepreis“ dekoriert; doch waren diese Ehrungen beileibe nicht die ersten Lorbeeren für Wolfgang Kramer. Insgesamt dreimal wurde er für ein ,,Spiel des Jahres“ gewürdigt, zweimal gab es den ,,Deutschen Spielepreis“. Diesen erhielt er - wie schon erwähnt - für El Grande und 1994 für eines seiner bekanntesten und meist verkauften Spiele: 6 nimmt. Dieses Spiel läutete nach Einschätzung der Fachleute die große Zeit des Kartenspiels ein und brachte richtig Schwung in dieses Genre. 1998, vier Jahre nach der Veröffentlichung dieses Hits, bringt Wolfgang Kramer nunmehr ein Kartenspiel auf den Markt, das schon auf der Schachtelrückseite als Weiterentwicklung von 6 nimmtHornochsen Covervorderseite beschrieben wird. Da stellt sich dem Spielkritiker natürlich sofort die Frage: Soll hier der Hinweis auf ein bekanntes Spiel nur für besseren Verkauf sorgen oder versteht sich dieser Satz eher als Empfehlung in Bezug auf die Spielqualität? Ich gebe es deshalb gerne zu, daß ich etwas gemischte Gefühle vor dem ersten Spiel hatte, denn 6 nimmt gehört immer noch zu meinen Kartenspiel-“all-time-favourites“. Aber vor meiner Bewertung zuerst einmal eine kurze Spielbeschreibung.

Die Schachtel sieht auf den ersten Blick aus wie eine 6 nimmt-Schachtel, die in einen roten Farbtopf gefallen ist. Der Wiedererkennungswert  ist - vorsichtig gesagt - recht hoch. Auch nach dem Öffnen der Schachtel bleibt der ,,Deja-Vu“ - Effekt erhalten: Es kommt einem alles ziemlich bekannt vor. Erst auf den zweiten Blick stellen sich die Unterschiede heraus. Die Karten sind nicht nur mit violetten Hornochsen auf weißem Grund bedruckt, sondern zusätzlich mit grün unterlegt. Weiterhin sind offensichtlich zwei Typen von Zahlenkarten im Spiel, einmal mit grünen Zahlen und das andere Mal mit roten Zahlen. Außerdem gibt es nicht 104 Zahlenkarten, sondern nur 98 - dafür aber noch fünf Karten mit dem Aufdruck ,,+5“ und fünf Karten mit dem Schriftzug ,,x2“. Und diese zehn Sonderkarten haben auch im Gegensatz zu den Zahlenkarten mit den grünen Rückseiten eine rote Rückseite.

Die entscheidenden Unterschiede liegen aber im Spielablauf. Waren bei 6 nimmt immer alle Spieler gleichzeitig beteiligt, so spielt man jetzt im Uhrzeigersinn seine Karten nacheinander aus. Auch die Anzahl der Spieler ist begrenzt, nur noch sechs anstatt zehn Personen können im Höchstfall mitmachen. Zu Beginn des Spiels erhält jeder Mitspieler je eine der oben beschriebenen Sonderkarten und dazu je nach Spielerzahl zwischen 10 und 14 Zahlenkarten. Zusätzlich werden auf dem Spieltisch zwischen 7 (bei zwei Spielern) und 15 (ab 5 Spielern) Karten offen und nach ihrer Wertigkeit sortiert im Kreis abgelegt. An diese Karten wird während des Spiels fast nach 6 nimmt-Modus angelegt, aber es gibt auch hier entscheidende Unterschiede. Zwar muß auch bei Hornochsen immer da angelegt werden, wo die geringste Zahlendifferenz in aufsteigender Reihenfolge zwischen der Karte auf dem Tisch und der abzulegenden Karte besteht (Beispiel: Wenn die ,,24“ und die ,,27“ auf dem Tisch liegen, dann darf ich die ,,29“ nur an ,,27“ anlegen, an die ,,24“ dürfen nur ,,25“ oder ,,26“ gelegt werden). Will man allerdings keine Karte ausspielen, die höher ist als eine bereits auf dem Tisch liegende Karte, dann muß man an der höchsten ausliegenden Karte bzw. Reihe anlegen. Der Spieler, der die fünfte Zahlenkarte an eine Reihe anlegt, nimmt diese Reihe komplett an sich, es wird an dieser Stelle keine neue Reihe gebildet! Sonderkarten können nicht dazu führen, daß eine Reihe abgeräumt wird, sie werden nicht zu den fünf „Zählkarten“ gerechnet.

Hornochsen Coverrückseite Jeder Spieler hat die Wahl, zwischen einer und drei Karten in seinem Spielzug abzulegen. Hierbei kann er auch Sonderkarten einsetzen, die aber im Gegensatz zu den Zahlenkarten, die immer nach außen - aus dem Kreis heraus - angelegt werden müssen, nach innen an eine Reihe angefügt werden. An keiner Reihe darf mehr als eine Sonderkarte eines Typs (,,+5“ und ,,x2) liegen, im Höchstfall also zwei Karten. Und wenn ein Spieler nicht aufpaßt und seine letzte Zahlenkarte spielt, bevor er seine Sonderkarten untergebracht hat, dann winken ihm pro Karte satte zehn Minuspunkte - wohl bekomm's! Und hier sind wir dann endlich auch beim Hauptunterschied zu 6 nimmt' angelangt: Es gibt nicht nur Minuspunkte, sondern auch Pluspunkte zu ergattern. Die grünen Zahlen bedeuten also positive Einkünfte, die roten Zahlen sollte man besser bei den Reihen, die man erobert, nicht so gehäuft einkassieren. Bei den Sonderkarten sind besonders die ,,x2“-Karten heiß begehrt, da sie gleich alle Punkte des betreffenden Spielers verdoppeln. Gelingt ihm gar die Eroberung einer zweiten oder dritten ,,x2“-Karte, dann wird sein Ergebnis mit vier oder mit acht multipliziert - eine lohnende Angelegenheit! Das Spielende ist erst erreicht, wenn alle Reihen abgeräumt und alle Karten ausgespielt sind. Wer vorher keine Karten mehr hat, kann schon einmal seine Punkte durchzählen und sich beruhigt zurücklehnen, im Endkampf um zumeist viele Minuspunkte ist er/sie dann nicht mehr beteiligt.

Hornochsen spielt sich sehr flüssig, hat aber nicht die Leichtigkeit von 6 nimmt. Das überraschende Moment, entgegen allen Überlegungen nun doch eine Reihe mit der sechsten Karten an sich nehmen zu müssen, fehlt bei diesem Spiel natürlich. So wird doch manchmal arg lang gegrübelt, welche Karte wohl in diesem Augenblick die richtige Wahl bedeutet und ob es nicht besser ist, nur eine anstatt zwei oder drei Karten auszuspielen.

Ein Durchgang mit vier Personen dauert so zwischen 20 und 30, bei 5 oder 6 Spielern auch schnell 45 Minuten. Gerade bei der Höchstzahl an Spielern dauert es immer mehrere Minuten, bis man wieder an die Reihe kommt. Und ganz langfristig kann man die eigenen Planungen auch nicht anstellen, dazu ändert sich die Situation auf dem Tisch zu schnell. Doch diese Kritik soll nicht die Klasse des Spiels schmälern, es ist halt für eine anspruchsvollere Zielgruppe konzipiert und nicht mehr unbedingt das Spiel für die ganze Familie, als Familienspiel würde ich unbedingt 6 nimmt  vorziehen. Aber ihr Spieler, bei denen taktische Überlegungen und geschicktes Aufbauen von Fallen ihr die Gegenspieler den Reiz einer Spielrunde ausmachen, bietet Hornochsen den bei weitem höheren Spielreiz. Keine Partie gleicht der anderen, jeder Spielzug muß gut überlegt werden und jede unbedachte Kartenablage kann die sorgfältigste Planung zunichte machen. Der Spruch ,,Es gibt keine schlechten Karten, sondern nur schlechte Spieler!“ trifft bei diesem Spiel genau ins Schwarze. Nur die optimale Ausnutzung des eigenen Kartenblatts in Kombination mit den ausgelegten Karten auf dem Tisch und den Aktionen der anderen Spieler bringt am Ende den Erfolg, Glück spielt bei Hornochsen im Gegensatz zu 6 nimmt eine fast unbedeutende Rolle.

Meine klare Empfehlung lautet also: Wer Kartenspiele mag, wird von Hornochsen begeistert sein. Und wer bisher kein unbedingter Kartenfan ist, kann es hierdurch ohne weiteres werden. Wenn man dann noch bedenkt, daß dieses spielerische Sahnehäubchen ihr schlappe DM 10 (oder weniger!) beim Händler Eures Vertrauens zu erwerben ist, kann eigentlich nur eine Tatsache erstaunen:
Warum habt Ihr das Spiel noch nicht?


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